Schizophren
(gespaltenes Bewusstsein)
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 26. September 2013
 
    Noch 2010 warb die Deutsche Bahn im Bistro im Bahnhofsturm für einen Bastelbogen unter der Überschrift:
Der Stuttgarter Hauptbahnhof
Ein Meisterwerk der Architektur
    Wie man oben sieht mit dem Nord- und dem Südflügel (rechts), deren Abriss seit 1994 geplant und ab 2010 durchgeführt wurde.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    
Die Funktion dieser Flügel wird auf diesem Übersichtsplan klar:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Der kürzere Nordflügel (dort schloss sich früher der Stückgutbahnhof an) und der längere Südflügel umschlossen, wie Daumen und Zeigefinger die überdachten Bahnsteige. Sie sorgten so auch dafür, dass dort Wind und Wetter die Fahrgäste weniger heftig angreifen konnten, da die Hauptwindrichtung (West) sowohl vom Hauptgebäude, als auch von den Flügel abgeschirmt wurde.
    Gegen den Teilabriss, oder deutlicher, die Verstümmelung des Denkmalsgeschützten Baues hatten bereits am 11.10.2008 viele Bürger mit einer Menschenkette um den Bahnhof herum protestiert. Übrigens zu einem Zeitpunkt, zu dem der Bahnhof ursprünglich bereits hätte fertig sein sollen. Hier vor dem langen Südflügel:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Der Abriss zerstörte auch die Symetrie am Nordausgang:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Was vom Bahnhof übrig bleiben soll, zeigt dieses Modell:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Dass dabei die Funktion der großen Halle als Zugang zu den Gleisen verloren geht und damit auch im Inneren die Treppen, die zu ihre hinauf führen, verschwinden müssen, zeigt, wie viel vom Denkmal und „Meisterwerk der Architektur“ übrig bleiben wird, ein bisschen Fassade.
    Dass Bauteile Funktionen haben und man die nicht unbedacht beseitigen darf, musste Bahn erst lernen, als nämlich die Überdachung der Bahnsteigen durch den Wegfall der Widerlager (Süd- und Nord-Flügel) instabil wurde und man die Stabilität nach einer nächtlichen sturmbedingten Räumung des Bahnhofes durch entfernen der Gläser im Glasdach und mit Stützkonstruktionen notdürftig zurück gewinnen musste:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Hier sind die Gläser vorne noch drin und hinten schon entfernt, die die Fahrgäste vor Regen und Schnee schützen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
    Den ganzen Winter 2012/13 ließ die Bahn ihre Kunden „im Regen stehen”, während das Gleis 8 im überdachten Bereich von Betonklötzen und Streben blockiert war, die verhindern sollen, dass das Dach bei Wind einstürzt. Einer der vielen Gründe, weshalb ’Stuttgart 21‘ teuerer wird, als ursprünglich gedacht.
    Aber was kann man schon von einem Unternehmen erwarten, dass im Besitz eines Meisterwerkes der Architektur ist und nichts besseres damit anzufangen weiß, als es zu zerstören.
    Dass Politiker im Lande dem Denkmalschutz einen Maulkorb verpassten, der darauf hinweisen wollte, dass Bahnhofsgebäude und Gleisvorfeld samt Tunnelbauten ein schützenswertes Technisches Denkmal sei, spricht ebenfalls Bände. Aber das hat in Stuttgart ja Tradition und davon ein anderes Mal mehr.