Nicht nur wer sein Geld auf dem Konto liegen lässt wird von der Inflation langsam aber sicher durch den Wertverlust enteignet, weil die Zinsen geringer sind als die Inflationsrate. Auch wer einen Computer kauft, wird in etwa 3 Jahren einen neuen kaufen müssen und dann feststellen, dass einige Programme, manchmal auch zusätzliche Geräte, wie Drucker, Scanner, Kartenleser, nicht mehr einwandfrei oder gar nicht mehr funktionieren. So müssen Geräte, die eigentlich voll funktionstüchtig sind, weggeworfen oder ausgetauscht werden. Die Software, die sich auf dem alten Rechner befindet und bisher einwandfrei arbeitete, wird wertlos und damit zugleich auch gewohnte, effiziente Arbeitsabläufe. Wenn man Pech hat verliert man den Zugang zu älteren Dokumenten, so dass man nicht mal mehr an ältere eigene Werke herankommt. Wie ein Kaufmann unter diesen Umständen seine Dokumente pflichtgemäß 10 Jahre lang aufbewahren und greifbar erhalten erfüllen soll, ist schleierhaft.
Die Hersteller haben kein Interesse an langer Nutzung, weil sie beim Neukauf mehr verdienen, als beim Update oder gar weitere Nutzung ohne Update. Schon bei Speicherschreibmaschinen konnte man den Akku, der für die Uhr und den Erhalt der Daten nötig war, oft selbst nicht austauschen. Selbstverständlich gibt es für ältere Maschinen keine Farbbänder und Farbpatronen mehr. Drucker, die einwandfrei arbeiten, müssen weggeworfen werden, weil der Resttinten-Behälter voll ist und – anders als es im Handbuch angegeben wird – keine Werkstatt bereit und fähig ist diesen auszutauschen, wenn der Drucker ein gewisses Alter erreicht hat, weil es a) keine Ersatzteile mehr gibt und b) ein neuer Drucker billiger ist, als die Reparatur.
Hier zeigt sich der Pferdefuß moderner Technik: Während bei vielem mechanischen Geräten, aber auch Kleidung der Umgang und die Pflege darüber entscheiden, wie lange man sie nutzen kann, entscheidet bei moderner Technik nicht mehr der Kunde und seine Handhabung, sondern der Hersteller und die Konstruktion darüber wie lange man sie nutzen kann. Das hat zur Folge, dass der Umgang des Käufers mit der Ware nur noch in geringem Umfang auf deren Nutzungsdauer Einfluss hat. Sachgemäßer und pfleglicher Umgang werden so nicht mehr belohnt, also auch nicht mehr geübt. Zugleich fördern die Hersteller mit Produkten, bei denen der Verfall sozusagen fest eingebaut wurde dafür, dass mehr Verbrauch an Energie und Material, sowie mehr Umweltverschmutzung entsteht. So werden trotz der Diskussion über das unnötige Standby bei Fernsehgeräten, dass allein in Deutschland den Strom eines Kraftwerkes verbraucht, Router, Drucker und andere Geräte auf den Markt gebracht, die für eine ständige Verbindung zum Netz eingerichtet sind. So stellte ein IT-Fachmann überrascht fest, dass sein neuer Drucker bei jedem Neustart eine Reinigung der Patronen durchführte und den Ausdruck einer Testseite. Als er diese unnötige Materialverschwendung abstellen wollte, stellte er fest, dass der Drucker Tag und Nacht laufen sollte, auch wenn er ihn an einem normalen Arbeitstag wohl nur 8 Stunden benötigen würde. 2/3 des Tages saugte der Drucker unnötig Energie aus dem Netz. Der Hersteller argumentiert, dass der Stromverbrauch so weit abgesenkt worden sein, dass er kaum ins Gewicht falle und der Kunde dafür mehr Bequemlichkeit habe. An manchen modernen Geräten fehlt deshalb der Ein- und Ausschalt-Knopf. Die Hersteller sorgen mit dieser Technik für eine höhere Stromrechnung ihrer Kunden, ohne ihnen das jedoch vor dem Kauf zu signalisieren. Datenblätter, also präzise Beschreibungen der Fähigkeiten und Grenzen von Geräten, gibt es heute fast gar nicht mehr. Im Falle des Druckers verdreifacht sich die Stromrechnung, wenn man davon ausgeht, dass der Drucker sonst den ganzen Tag über liefe. Würde der Drucker jedoch, wie das bisher üblich war, nur dann vom Rechner in Betrieb genommen, wenn er wirklich etwas drucken soll, dann wäre der Unterschied in der Stromrechnung sogar noch weit größer.
Ähnliche schleichende Enteignungen gab es zum Beispiel bei der Umstellung des Fernsehens auf Digital-Betrieb, wobei die Konsumenten die Wahl hatten, ob sie gleich einen ganz neuen Fernseher kaufen, oder nur ein Zusatzgerät, das die digitalen Daten in analoge Daten umwandelt. Beim digitalen Radio scheinen sich die Konsumenten zu verweigern, denn der zusätzliche Nutzen steht in keinem Verhältnis zur Verschrottung von weit über 80 Millionen Radioempfängern allein in Deutschland.
Dieses Phänomen, dass zu Gunsten der Wirtschaft bewährte Verfahren durch neue ersetzt werden, findet man überall. Erlebten früher die Kinder in einer Tagesstätte oder Ganztagsschule mit, dass das Essen für sie in der Küche zubereitet wurde, so wurden diese Küchen in vielen Fällen geschlossen bzw. zu Aufwärmestationen, in denen das in einer weit entfernten Großküche zubereitete Essen nur noch für den Verzehr erwärmt wird. Die Küche, wenn man sie denn noch so nennen will, kauft nun nichts mehr beim lokalen Handel, sondern wartet auf den Lkw, der sie mit zig Portionen versorgt, die sie möglichst frühzeitig bestellen musste. Früher gab die Leitung von Kita oder Schule bis etwa 9:00 Uhr bekannt, wie viele Kinder und Erziehende heute speisen wollten und die Küche bereitete die entsprechende Menge zu. Dass der lokale Handel nun Veranstaltungen und Feste von Schulen und Kindertagesstätten nicht mehr in dem Maße fördert, wie er das tat, als sie noch seine Kunden waren, braucht niemand zu wundern. Auch nicht, wenn örtliche Läden aufgeben, weil der Umsatz unter einen kritischen Wert sank. Da das Essen jetzt über weite Distanzen transportiert werden muss, geht ein Teil des Essensgeldes für Treibstoff drauf, statt der Qualität des Essens zu dienen. Das Essen wird also für die Eltern entweder teurer, oder die Qualität sinkt. Nicht erst bei der Durchfallepidemie aufgrund von chinesischen Erdbeeren im Nachttisch einer Großküche war Kennern klar, dass die zunehmende Verpflegung durch einige wenige Anbieter auch erhebliche Nebenwirkungen hat. Die so genannte Systemgastronomie hat mancherorts alte Gasthäuser ersetzt, in denen der Gast noch Gast, wenn schon nicht König war. Dort wurde noch selbst gekocht und nicht nur Fertigmahlzeiten erhitzt. Dort wurde frischer Salat geputzt und zubereitet, statt fertige Salatmischungen aus dem Plastikbeutel mit Fertigsoße zu übergießen. In diesen Gasthäusern saßen abends die Alten bei ihrem Stammtisch, spielten nachmittags Karten oder Schach. In diesem Gasthäusern traf man sich, um miteinander zu reden. In der Systemgastronomie geht es nur noch darum die Besucher möglichst rasch zu füttern.
Die Entwicklung zum Essen außer Haus oder gar beim Gehen und Fahren lässt nicht nur die Esskultur verschwinden, sondern auch das Kochen zuhause, so dass das Kochen mittlerweile zu so einem exotischen Handwerk geworden ist, das man es im Fernsehen fast zu jeder Tageszeit als Show anbietet. Gleichzeitig werden viele Gerichte nicht mehr gekocht, weil sie der „isolierte Fresser“ für sich allein gar nicht mehr zu zubereiten vermag. Diese Entwicklung führt zu einem erheblichen Verlust an Warenkunde (eine große Zeitung fragte kürzlich ihre Leser, wann denn welche Lebensmittel frisch auf den Markt kämen), an handwerklichem Können, an Vorratshaltung, an gemeinsamen Kochen in der Küche und ebenso gemeinsamen Genuss beim Mahl. Schüsseln, in denen das Essen auf den Tisch gebracht wird, verstauben in vielen Haushalten, da entweder gar nicht mehr gekocht wird, oder das Essen in der Küche auf die Teller verteilt wird, oder der Kochtopf auf den Tisch gestellt wird. Zugleich erleben wir einen Boom bei Küchenstudios, doch hinter vorgehaltener Hand versichern Kenner, dass die Küche umso teurer sei, je schlechter die Benutzer kochen können. Das die Zubereitung von Fertigmahlzeiten teurer ist, als wenn man selbst für eine kleine Gruppe Menschen kocht, wissen viele Singles längst nicht mehr. Also findet auch hier eine schleichende Enteignung statt, von der nicht nur der Geldbeutel, sondern auch die Sinne betroffen sind.
Ähnlich ist es mit bezahlbarem Wohnraum und Büros: Ältere Gebäude werden abgerissen und durch neuere ersetzt, für die man höhere Mieten oder Kaufpreise verlangen kann. Das entwertet zugleich die ältere Bausubstanz, auch wenn sie qualitativ vielleicht besser ist, als der Neubau. Dadurch werden die durchschnittlichen Kosten für Räume angehoben und wer sparen muss, findet immer schwerer bezahlbare Räume. Damit werden Ärmere aus der Stadt verdrängt und Neugründungen von Firmen erschwert. Den Gewinn streicht der Investor ein, die Allgemeinheit bleibt auf den Belastungen während der Bauzeit und dauerhaft auf höheren Raumkosten sitzen, die schneller wachsen, als es eigentlich sein müsste, denn alte Bauernhäuser hielten und halten einige hundert Jahre, während heutige Neubauten, wegen der Abschreibung, auf eine Standzeit von 30 Jahren angelegt sind.
Selbstverständlich gibt es immer wieder neue Techniken, die bestimmte Aufgaben besonders gut lösen. Doch wenn man sich zum Beispiel ein Grammophon angeschaut, oder auch einen späteren Plattenspieler, dann war der Verschleiß (Nadeln/ Tonabnehmer) auf ein Teil beschränkt, das man selbst leicht austauschen konnte. Natürlich hat jedes Gerät auch eine absehbare Lebensdauer, die sich aber bei pfleglicher Behandlung verlängern lässt, wie viele Oldtimer zeigen. Moderne Autos mit Elektronik drin, wird es als Oldtimer wohl nicht geben, da die Elektronik in der Regel nicht reparierbar ist. Einfluss auf Lebens- und Nutzungsdauer hat man aber nur, wenn die zu Grunde liegende Technik das auch erlaubt. Ändert zum Beispiel ein Hersteller von Gartengeräten den Griff für seine Geräte, dann entwertet er alle früheren Geräte, die sich mit dem neuen Griff nicht mehr nutzen lassen.
Wie sehr die schleichende Enteignung bereits im Alltag der Verbraucher verbreitet hat, kann man auch daran erkennen, dass viele Programme auf Rechnern und Mobiltelefonen ohne ihren Besitzer zu fragen Kontakt zum Hersteller aufnehmen. Ähnlich ist es, wenn man bei einem Hersteller anruft, und einem als Erstes verkündet wird, dass das Gespräch zu Trainingszwecken mitgeschnitten werden kann. Wer das nicht möchte, hat oft keine andere Möglichkeit, als auf die Hilfe des Herstellers zu verzichten. Das Urheberrecht des Kunden wird hierbei ignoriert. Dasselbe gilt für die fast allgegenwärtigen Überwachungskameras: Das Recht am eigenen Bild interessiert da plötzlich niemand. Wer sich nicht von Überwachungskameras filmen lassen möchte, hat fast keine Chance am öffentlichen Leben teilzunehmen, denn sowohl in Bus und Bahn, als auch in Läden und Fußgängerzonen, ja sogar an manchen Haustüren sieht man sich einem Kamera-Auge gegenüber. Auch hier werden die Rechte des Bürgers verletzt.
Die schleichende Enteignung sei es beim Geld, beim Besitz, oder bei den Rechten bedeutet einen Angriff auf das Selbstbestimmungsrecht der Bürger. Aus dem geachteten Gegenüber des Kaufmanns, wurde das heimlich missachtete Herdentier Konsument, das man gemäß den eigenen Interessen zu lenken versucht.
Dass ausgerechnet Internet und Rechner, die einst als Garanten der Freiheit angesehen wurden, nun zu Mitteln der Enteignung von Bürgerrechten werden, liegt unter anderem auch daran, dass ihre Komplexität so stark stieg, dass viele davon überfordert wurden. Es war deshalb logisch, dass die Hersteller möglichst viele Vorgänge automatisierten, so dass sich der Benutzer nicht mehr darum kümmern muss. Damit wurde ihm aber auch die Möglichkeiten zur Kontrolle der Technik entzogen. Daraus ergaben sich zwei typische Ausrufe:
1. „Was macht er denn jetzt schon wieder?“
Und als weit verbreitete Erklärung:
2. „Das ist im System nicht gespeichert!“
Die Informationstechnik wird oft dazu benutzt um die Verantwortung für Vorgänge nicht mehr selbst zu tragen, sondern einem anonymen technischen Gerät zu überantworten. Das nennt man dann: Organisierte Verantwortungslosigkeit!
Das Foto ganz oben zeigt den Abriss eines Bürogebäudes nach etwa vierzig Jahren, um ein neues teureres zu bauen.