Ein schlechtes Beispiel
Was der Umgang mit öffentlichem Grün verrät
Carl-Josef Kutzbach
Samstag, 19. Oktober 2013
 
  Jedes Jahr wird der Stuttgarter Schlossplatz - er gilt als einer der schönsten - zeitweise für andere Zwecke genutzt. Im Bild oben für die Feier der Wiedervereinigung am 3.10 2013, mal für eine Eisbahn, mal für Werbeveranstaltungen oder das Stadtfest.
Der Rasen, der sich im Bild unter der rechten Halle verbirgt sieht hinterher ungefähr so oder schlimmer aus:
 
Und dann kommen nach einiger Zeit die Rasenleger mit ihrem Rollrasen:
 
Der zerstörte Rasen wird abgefräst, fort gebracht und der anderswo vorgezogene Rollrasen wird dann ausgelegt, festgewalzt und der Platz sieht wieder grün aus. „Ex und Hopp” im großen Stil:
 
Was in Wirklichkeit passiert ist, wird übertüncht: Durch Dunkelheit und Belastung sterben die Rasenpflanzen, aber auch das Bodenleben in der Erde. Ein ganzes kleines und vermutlich nicht besonders wertvolles Biotop (Lebensgemeinschaft) wurde zerstört und anschließend durch ein noch weniger vielfältiges Biotop (Rollrasen auf Substrat (Unterlage)) ersetzt.
Dem Betrachter, egal ob Fußgänger, Omnibuspassagier, ob Besucher einer der Caféhaus-Terrassen oder eiliger Einkäufer, wird signalisiert:
Leben und einzelne Lebewesen spielen bei uns keine Rolle. Wir vernichten sie bei Bedarf und ersetzen sie jederzeit durch andere. Also füge Du Dich brav in diese Gesellschaft ein und leiste jede Arbeit, die man Dir gibt, sonst musst auch Du damit rechnen, ersetzt zu werden (was für den Einzelnen Demütigung, Armut und Existenzangst bedeutet)!
Was für ein schlechtes, entlarvendes Beispiel für eine Gesellschaft, die über Leichen geht (Flüchtlinge, die im Mittelmeer ertrinken), wenn es dem eigenen Vorteil dient.
Und es zeigt noch etwas: Immer mehr Menschen haben keine Ahnung, was Natur verträgt und was nicht. Eine Wiese, die nur ein paar Stunden, oder von Wenigen betreten wird, erholt sich wieder. Vor allem, wenn das Gras vorher eine günstige Länge, oder besser Kürze hat. Es müsste doch beim Land Baden-Württemberg (dem der Schlossplatz gehört) und bei der Stadt (die bei Genehmigungen ebenfalls ein Wort mitzureden hat), jemanden geben, der das weiß und sagt: „Das verträgt der Rasen.” Oder: „Das verträgt er nicht!”
Die allgemeine Nutzung des Schlossplatzes verursacht bisher wenig Schäden:
 
Das zeigt also außer einer Verachtung des Lebendigen auch, dass es den Verantwortlichen am richtigen Maß fehlt um zu entscheiden, was man dem Rasen und den anderen Pflanzen und Tieren auf dem Schlossplatz zumuten kann und was nicht.
Wenn aber die entscheidenden Leute eine lebensfeindliche Einstellung nicht mehr als solche erkennen und auch nicht wissen, was man lebendigen Organismen zumuten darf und was nicht, wie sollen diese Leute dann richtig entscheiden, was für den einzelnen und für die Gemeinschaft der Bürger gut ist und was nicht?
Ein kleines, schlechtes Beispiel, das aber zeigt, wie schlimm es bereits um das Wohl von Bürgern und Staat bestellt ist.