Wachsende Verständnislosigkeit
Warum Regeln Halt geben
 
Die meisten Menschen verhalten sich so, wie sie meinen, sich verhalten zu sollen, oder zu müssen. Das bedeutete früher, dass sich mehr oder minder alle an Regeln hielten. Seit etwa zwei Generationen nimmt die Verbindlichkeit von Regeln ab, da immer mehr Menschen ihr Verhalten von der jeweiligen Situation abhängig machen (Studie des MPI für Ausländisches und Internationales Strafrecht in Freiburg). Ob Regeln beachtet werden entscheidet der Einzelne nach Belieben. Vielleicht eine Folge falsch verstandener Antiautoritärer Erziehung? Dagegen spricht, dass die erst später begann. Dafür spricht, dass auch beim Lernen eine gewisse Beliebigkeit herrscht und es Blender heute häufig weiter bringen, als Leute, die sich ihrer Kenntnisse, aber auch ihrer Grenzen bewusst sind. Hans Scheibner hat diese Haltung bereits in den 1970ern in einem Lied karikiert: „Das macht doch nichts, das merkt doch keiner.“ Ihm ging es zwar um die Informationspolitik von Atomkraftwerks-Betreibern, aber deren Verhalten war vom gleichen Hochmut geprägt, der heute weit verbreitet ist. Immer mehr Menschen leben nach dem Motto: „Wenn die Großen mogeln, tricksen und betrügen, dann kann ich das auch.“
Zweierlei bleibt bei dieser Einstellung auf der Strecke:
1.    Die Verlässlichkeit der Mitmenschen und damit das Vertrauen. Wenn man etwa nicht mehr darauf vertrauen könnte, dass Autofahrer die dafür vorgesehenen Spuren der Autobahn benutzen, dann würde jede Fahrt auf der Autobahn zum schweißtreibenden Abenteuer, weil man ja jederzeit damit rechnen müsste, dass jemand auf der falschen Fahrspur entgegen kommt. Dieses wachsende Misstrauen in die Mitmenschen kann man auch daran ablesen, dass sich immer mehr Firmen und Personen bis hin zum Arzt durch Geschäftsbedingungen abzusichern suchen, die bereits derartig umfangreich und oft in einer Fremdsprache verfasst sind, dass ihre Lektüre laut einer amerikanischen Studie 1500 Stunden, oder knapp 200 Arbeitstage erfordern würde. Im Alltag zeigt sich der Mangel an Verlässlichkeit bei Terminabsprachen, oder daran, dass man auf eine schriftlich gestellte Frage, z.B. per Mail, in vielen Fällen keine Antwort bekommt. Sei es, weil gar keine Antwort kommt, sei es, weil die Antwort nichts sagend ist, oder die Frage nicht beantwortet wird, ja manchmal nicht einmal gelesen oder verstanden wurde.
2.    Das Verständnis der Zusammenhänge. Denn die meisten Zusammenhänge werden in Form von Regeln erkannt. Z.B.: Macht ein Bach, ein Fluss eine Kurve, dann ist das äußere Ufer steil und das innere flach. Oder: Wenn ich mich auf andere verlassen können möchte, dann muss ich selbst auch zuverlässig sein. Oder noch allgemeiner: Wie Du mir, so ich Dir. Wer meint auf Regeln verzichten zu können, tut sich schwer beim Erlernen von Mathematik oder Sprachen, weil dort Regeln (Formeln und Grammatik) notwendig sind, wenn man zu richtigen Ergebnissen kommen will.                         
    Ähnlich ist es in vielen Wissensgebieten vom Haushalt bis hin zu Quantenphysik oder Philosophie: Man muss ihre Regeln verstehen, um sie anzuwenden und zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen. Beispiel: Wer erst den Boden saugt und danach die Regale abstaubt, könnte eigentlich gleich noch einmal saugen, weil ein Teil des Staubs zu Boden rieselte.
    Und wer nicht gelernt hat Regeln zu erkennen und mit ihnen umzugehen, der tut sich schwer zu verstehen, wie seine Mitmenschen sind, welchen Regeln sie folgen. Der kann dann auch Konflikte ("...mach doch die Klobrille hoch / runter, schraub doch die Zahnpasta zu!") nicht als Konkurrenz verschiedener regelhafter Verhaltensweisen entschlüsseln oder entschärfen. Wer darauf besteht, dass der andere die eigenen Regeln übernimmt, dem geht es um Macht und nicht um die Beziehung, sonst würde er nach einem Kompromiss suchen ("Ok, ich mach die Klobrille für Dich rauf / runter und Du machst für mich die Zahnpasta zu, wäre das eine Lösung, mit der Du leben kannst?").
Schon vor vielen Jahren fiel mir der Verlust von Wissen und Kenntnissen auf: Die beiden Bahnen einer Schlittenbahn verlaufen in Rinnen, damit die Schlittenfahrer sich nicht gegenseitig behindern und sich bei hohem Tempo in den Kurven von der Außenwand in der Bahn gehalten werden. Bergauf läuft man dann auf den erhöhten Rändern der Bahn. Diese werden dadurch recht bald festgetreten und nun versuchten die Schlittenfahrer, obwohl sie es jahrelang anders gesehen haben mussten, auf diesen erhöhten Wegen zu Tal zu fahren, weil die so schön festgetreten waren und die eigentliche Bahn von den schmalen Schlittenkufen noch nicht so glatt gewalzt worden war. Vor allem Kinder schafften es kaum auf dem schmalen erhöhten Weg bleiben, sondern kamen vom Weg ab und fuhren denen, die in der Bahn nach oben liefen (und so eine sinnvolle Änderung verhinderten) zwischen die Beine. Offenbar war das Wissen verloren gegangen, dass die Bahn anfangs wenig Freude bereitet und man sie erst einfahren muss. Ganz früher, als sie beleuchtet war und man sie nur gegen Bezahlung benutzen konnte, wurde sie natürlich zuerst einmal gewalzt, ehe der erste Schlitten zu Tal rauschte. Als Kinder baten wir deshalb immer einige Skifahrer mit ihren breiteren Skiern die Bahn hinab zu fahren und sie so zu einzuebnen und den Schnee zu verfestigen.
Seither fallen mir immer öfter Situationen auf, bei denen klar wird, dass die Handelnden keine Ahnung haben, wie sie eigentlich handeln sollten. Pflasterer scheinen nicht mehr zu wissen, wie man ein Kopfsteinpflaster setzt und schon gar nicht, wie man eines setzt, das aus Viertelbögen besteht. Früher saßen Pflasterer im Sand und setzen die Steine vor sich in den Sand, klopften sie fest und danach wurden die Zwischenräume mit Sand ausgefüllt und verfestigt. Vorher durfte niemand auf die noch lockeren Steine treten. Die Viertelbögen entstanden, wenn mehrere Pflasterer nebeneinander arbeiteten und jeder vor sich die Steine im Bogen setzte, der vom Bogen des Nachbarn dort fortgesetzt wurde, wo die Bögen im rechten Winkel zusammentrafen. Eine kluge, kraftsparende Arbeitsweise, bei der die Pflasterer auf umgeschnallten einbeinigen Hockern saßen. Hatte das Pflaster eine Neigung, dann wurde jeder Stein so gesetzt, dass die obere Kannte etwas weiter heraus ragte und so den Hufen der Pferde und den Sohlen der Schuhe einen festen Halt bot. Heute sitzen die Pflasterer auf den eben erst verlegten, aber noch nicht durch Sand in den Fugen verfestigen Steinen und mühen sich mit den Steinen ab, die sie ins tiefer gelegene Sandbett setzen wollen. So ist die Arbeit unbequemer und das Ergebnis wesentlich weniger genau und haltbar.
Ähnlich ist es mit vielen Gärtnern, die von Hegern zu Sägern und Maschinenführern geworden sind. Dabei verkümmert die Pflanzenkenntnis, aber auch das Wissen, wann man welche Arbeiten ausführen darf oder sollte. Dass man in der Brutsaison von März bis August Hecken und Bäume nicht kürzen darf, um die Aufzucht der Jungvögel nicht zu gefährden, stört viele Gärtner ebenso wenig, wie Baufirmen, die Grundstücke mit dem Bagger roden, egal, ob da gerade gebrütet wird, oder nicht. Dass bunte Blumenwiesen nur überleben können, wenn man erst dann mäht, wenn die Blumen ihre Samen ausgestreut haben, leuchtet eigentlich ein, wird aber nicht nur von Bauern, sondern auch von Gärtnern missachtet. Dass man Büsche, die im Frühjahr blühen, z.B. Forsythie, nicht im Spätherbst schneidet, weil man sonst die ganzen Blütenansätze entfernt, ist eigentlich selbstverständlich, wird aber in der Praxis missachtet. Dass auch viele sich selbst als Blumenfreunde bezeichnende Mitmenschen jeden Blumentopf wegwerfen, sobald er nicht mehr blüht, oder welkt, weil die Wurzeln wegen zu viel Gießen abfaulen, passt zu ahnungslosen Gärtnern. Ob und wie lange es noch Gärtnermeister gibt? Für Schuhmacher etwa gibt es in Baden-Württemberg schon keinen Meisterprüfungsausschuss mehr. In anderen Berufen, in denen man ebenfalls keinen Meister mehr braucht, um ein Geschäft zu eröffnen, dürfte es ähnlich sein. Aber welche Folgen hat das für die Qualität der Arbeit, wenn es nur noch Gesellen, aber keine Meister mehr gibt? Vermutlich Mittelmaß statt Meisterleistung. Wo allerdings die Reparatur, die ein Verständnis der Funktionsweise erfordert, durch den Austausch ganzer Bauteile oder gar Baugruppen ersetzt wird, egal, ob eine Reparatur möglich wäre, kann man mit wenig Hirn und wenig Arbeit mehr verdienen, als wenn man mit weniger Material und mehr Hirn eine Reparatur durchführen würde.
Diese Beispiele beziehen sich auf Zusammenhänge, die man selbst mit ein wenig Nachdenken erkennen könnte. Schwieriger ist das schon bei Vorgängen, die man nicht durchschauen könnte, etwa dem Datenschutz. Den meisten Internetnutzern ist gar nicht bewusst, dass ihre Daten beim Aufrufen fast jeder beliebigen Seite erfasst und oft auch weiter gegeben werden. So waren viele Männer in der Anfangszeit des Internets überrascht, wenn sie nach dem Besuch von Pornoseiten entsprechende Werbung bekamen. Der Seitenbetreiber hatte ihre Mail-Adressen weiter verkauft. Da die meisten Nutzer gar nicht wissen, was im Hintergrund geschieht, sind sie Betrugsversuchen oft ziemlich hilflos ausgeliefert oder wundern sich, wenn angeblich von ihrer Mail-Adresse Werbemüll (SPAM) versandt wird. Auch beim Weiterleiten von Bettelbriefen, die meist leicht als solche zu enttarnen wären (www.hoax-info.de) fallen manche immer wieder auf rührselige Geschichten herein.
Ein ganz weites Feld, auf dem Wissen und Kenntnisse zu verschwinden scheinen, sind Kinder und Erziehung. Da wird vom Kleinkind erwartet, dass es entscheidet, was es möchte, obwohl die Trotzphase doch verrät, dass das Kind zwar schon seinen Willen entdeckt hat, ihn aber noch nicht zu beherrschen vermag und schon gar nicht in der Lage ist eine Entscheidung zu fällen, deren Tragweite es gar nicht erkennen kann. Da wird die Wahl der Schule vom Wunsch des Kindes abhängig gemacht, obwohl man von Eltern erwarten sollte, dass sie etwas weiter in die Zukunft denken und die Folgen für das Kind abschätzen können sollten. Natürlich möchte das Kind in die Schule, in die auch seine Freunde gehen, aber entspricht diese Schule den Fähigkeiten und Bedürfnissen des Kindes? Eltern drücken sich vor der Verantwortung gegenüber den Kindern, indem sie diesen schwierige Entscheidungen überlassen. Andere überfordern das Kind, indem sie ihren eigenen Ehrgeiz durch das Kind ausleben wollen und es täglich zu Sport, Musik, Tanz, Nachhilfe oder Sprachunterricht bringen.
Die einen überbehüten und verhindern eigene Erfahrungen, die anderen lassen das Kind laufen und wissen manchmal nicht, wo es sich befindet. Dabei geben viele Eltern in einem vertraulichen Gespräch zu, dass sie selbst oft unsicher sind. Das Kind merkt das natürlich und versucht seinen Willen durchzusetzen. Und schon gibt es Ärger. Die wenigsten Eltern sind dann in der Lage zu erkennen, dass ihre eigene Unsicherheit die Ursache der Auseinandersetzung ist. Und warum sind die Eltern unsicher? Könnte es sein, dass es ihnen an Vorbildern fehlt, dass man das Wissen von Großeltern als veraltet ablehnt (so sie überhaupt in der Nähe sind) und meint den vielen Erziehungsratgebern sei mehr zu trauen?
Oder fehlt ihnen der alltägliche Umgang mit Kindern jeglichen Alters, weil die Kinder in Kindergärten, Tagesstätten und Schulen weggesperrt sind, wie die Alten in den Altenheimen, so dass die Fähigkeit zum Umgang mit ihnen verkümmert? Es gibt in Stuttgart einen „Business Park“, in dem Alte und Junge nicht mehr vorkommen. Es wäre kein Wunder, wenn die Dienstleistungen und Produkte der dortigen Firmen an deren Bedürfnissen vorbei gingen.
„Kommen Sie nicht mit Problemen, kommen Sie mit Lösungen!“ fordern Management-Gurus und manche Firmen von den Mitarbeitern. Das ist etwa so, wie wenn man in einer Mathematikklassenarbeit dazu auffordert nur die Ergebnisse hinzuschreiben (weil dann der Lehrer weniger Mühe mit dem Korrigieren hat). Es lässt sich dann nicht mehr feststellen, ob ein Rechenfehler, ein Zahlendreher, oder ein tatsächlicher gedanklicher Fehler, etwa die falsche Formel zum falschen Ergebnis führte, geschweige denn, ob der Schüler den Rechenweg verstanden hat, oder nicht. Oder ins Medizinische übertragen würde das Bedeuten, dass der Arzt die Untersuchung auslässt und gleich drauf los behandelt. Firmen, die dieser Empfehlung folgen, werden nie erfahren, was sie falsch machen, oder, wo sich etwas verbessern ließe.
Beim Besuch eines Cafés hieß es: „Kaffee können wir gerade nicht servieren, weil der Monteur (für die Kaffeemaschine) da ist.“ Tee, der ebenfalls durch Aufbrühen mit heißem Wasser hergestellt wird, wurde jedoch serviert. Vermutlich hatte das Café weder Kaffeefilter, noch Kannen um mit gewöhnlichem gemahlenen Kaffee das Getränk zuzubereiten. Oder die Bedienung kam einfach nicht auf die Idee, dass man Kaffee auch so zubereiten kann.
Wohin führt das?
  1. 1. Man kann heute auch Handwerkern, Selbständigen, Ärzten, von denen man eigentlich erwartet, dass sie Fachleute seien, nicht mehr blind vertrauen.
  2. 2.Der Kunde, der sich früher vom Verkäufer oder Handwerker beraten lassen konnte, muss heute selbst versuchen heraus zu finden, welche Ware oder Dienstleistung seinen Bedürfnissen entspricht, falls er die überhaupt selbst erkennt.
  3. 3.Immer mehr Alltagswissen (wie pflegt man sich selbst, Schuhe, Kleidung, Möbel, Teppiche, Geräte, Garten, Blumen, kranke und gesunde Kinder...) geht verloren.
Da immer mehr Menschen sich nicht auskennen, erscheint die Welt immer weniger übersichtlich, ja verwirrend und feindlich. Zugleich fürchten immer mehr Menschen, dass ihre eigene zwangsläufig oft unzulängliche Arbeit als Murks enttarnt wird (nicht nur Doktorarbeiten Prominenter). Durch den Pfusch sinkt die Qualität von Waren und Dienstleistungen und die Kosten steigen (egal ob Großprojekte wie Berliner Flughafen, Stuttgart 21, Elbphilharmonie etc. oder Kleidung, Möbel Computer, Mobiltelefone, die immer weniger lang halten, bis sie repariert werden müssen oder nicht mehr zu gebrauchen sind). Damit wächst auch der Aufwand an Kontrolle und der folgende Ärger über unzulängliche Waren und Dienstleistungen.
Wenn aber die Unsicherheit und die Verwirrung steigen, versuchen viele sich eben irgend wie durchzuwursteln. Sei es, indem sie das Kleingedruckte nicht mehr lesen und hoffen, dass es schon gut gehen werde, sei es, dass sie mogeln, tricksen und mehr versprechen, als sie halten können. Das ist eine verständliche menschliche Reaktion auf die Überforderung, die sich aus dieser Entwicklung ergibt. Aber sie beschleunigt den Mangel an Kenntnissen und Verständnis  (auch für Andere oder Fremde) weiter. Und damit wachsen Verwirrung, Verständnislosigkeit und Ängste (Zunahme der psychischen Erkrankungen?). Es ist auffallend, wie junge Leute sich bei Volksfesten Lederhosen und Dirndls anziehen, um dazu zu gehören. Offenbar hat die internationale Jeans ihre Gemeinschaft stiftende Wirkung eingebüßt. Offenbar sehn man sich nach lokaler oder regionale Zugehörigkeit (die die Fantasie-Trachten gar nicht befriedigen können, aber das merkt fast niemand. Genau so lässt sich auch die immer stärkere Betonung des Sexuellen in der Kleidung verstehen: Man sucht menschliche Nähe und verwechselt die mit Signalen, die der Fortpflanzung dienen, für die zunächst mal echte menschliche Nähe gut wäre. Auch hier ist das Verständnis für die Zusammenhänge und für die Wirkung der eigenen Signale häufig nicht mehr gegeben.
Das führt zu der Frage:
Wie geht man damit um, dass es immer mehr Menschen an Sachverstand, aber auch an der Fähigkeit Andere zu verstehen mangelt?
Oft fehlt schon die Fähigkeit sich auf etwas oder Andere einzulassen. Es fehlt die Achtsamkeit im Umgang mit Fremdem und Fremden, die notwendig ist, um zu erkennen, wie eine Sache funktioniert, wie ein Mensch gewohnt ist zu leben und wo man seinen Platz in der Gesellschaft finden und ausfüllen könnte. So führt der Mangel an Verstehen (sich in die Lage des Anderen versetzen) zu immer mehr Verwirrung, Ärger und Einsamkeit.
Also noch einmal:
Wie geht man damit um, dass es immer mehr Menschen an Sachverstand, aber auch an der Fähigkeit Andere zu verstehen mangelt?
Ebenfalls mogeln, tricksen, blenden und hoffen, dass man nicht auffliegt? Das würde die Aufgabe der eigenen Normen und Werte verlangen und die Chancen auf eine gelingende Beziehung senken.
Sich ständig dagegen wehren und Fehler benennen? Das würde den einzelnen überfordern, weil er oder sie sich ständig im "falschen Film" zu befinden meinten und das Gefühl hätten, wie Don Quichot gegen Windmühlenflügel zu kämpfen, oder wie Michael Kohlhaas ihr Leben für das zu opfern, was sie für gerecht und richtig halten. Die Gefahr daran zu zerbrechen und die eigene Gesundheit seelisch und körperlich zu ruinieren ist groß.
Irgend wo zwischen "Anpassen, Mitspielen" und "dagegen Kämpfen" muss es einen Mittelweg geben, der es erlaubt den eigenen Wertvorstellungen treu zu bleiben und dennoch immer wieder Zeichen zu setzen, dass man sich an der allgemeinen Beseitigung von Werten und Verständnis nicht beteiligt. Bürgerinitiativen, die sich für die Umwelt, für Datenschutz, für fairen Handel, für eine Energiewende, für einen Umwelt und Menschen dienenden, schonenden Verkehr, für eine andere Politik einsetzen sind ermutigende Zeichen. Dank des Internets, z.B. Wikipedia, gibt es ja auch eine Gegenbewegung, die (häufig ohne Gewinnstreben) Wissen und Verständnis zu fördern versucht.
Für die Mächtigen - und das sind heute weniger Politiker, sondern es sind Wirtschaft und ein kleine reiche Oberschicht - ist es natürlich bequemer, wenn die Beherrschten das Gefühl haben, sie hätten sowieso keine Chance diese komplizierte Welt zu verstehen und müssten froh sein, wenn das Einkommen für ein Zuhause und abends ein Bier zum Fernsehen reicht und froh sind, wenn es keine Veränderung hin zum Schlechteren gibt. Wer sich dagegen bildet und um Verständnis bemüht, der wird den Mächtigen gefährlich, weil er oder sie sich mit Anderen zusammen tun kann und erkennt, dass deren Macht und Wohlstand zu einem erheblichen Teil darauf beruht, dass man Regeln verletzt (Guttenberg?), umgeht (Apple?) oder missbraucht (Ein-Euro-Jobber in reichen Verlagshäusern?) und zugleich das Wassertrinken predigt (Nestle?), aber selbst auf Champagner besteht.
Es lohnt sich daher die Frage sich selbst immer wieder neu zu stellen:
Wie gehe ich damit um, dass es immer mehr Menschen an Sachverstand, aber auch an der Fähigkeit Andere zu verstehen mangelt?
 
Das Bild oben zeigt den Deckel der Gruft in der Grabkapelle auf dem Rotenberg in Stuttgart, durch die die Särge in die Gruft hinab gesenkt wurden von unten. Von oben sieht er so aus:
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Carl-Josef Kutzbach
Donnerstag, 23. Mai 2013